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 Rechtliche Urteile


 
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T 02631 956 806
F 0263



Dr_Daniel_Koetz, , 23.01.2001

Bundesverfassungsgericht: Eingriff in Urheberrechte und Nutzung

Darf man Werke Dritter in das eigene Werk übernehmen?

Das höchste deutsche Gericht nimmt Stellung zur Frage, inwieweit ein Eingriff in das Urheberrecht gestattet ist. In bestimmtem Umfang ist es erlaubt, wobei genau darauf geachtet werden muß, ob das Zitat bloß die Anreicherung des neuen Werks mit fremdem geistigen Eigentum ist (uU. verboten) oder ob es sich um ein Gestaltungsmittel innerhalb der eigenen künstlerischen Aussage handelt (erlaubt).
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Es hört sich kompliziert an: "Steht ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile der künstlerischen Entfaltungsfreiheit gegenüber, haben die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung zurückzutreten. Der Künstler darf ohne Verstoß gegen § 51 Abs. 1 UrhG urheberrechtlich geschützte Texte auch ohne einen Bezug als Beleg in sein Werk aufnehmen, wenn und soweit sie als solche Zustand- und Gestaltungsmittel seiner eigenen künstlerischen Aussage bleiben. Ob das Zitat eine solche Würdigung und nicht bloß die Anreicherung eines Werkes durch fremdes geistiges Eigentum darstellt, ist auf Grund einer umfassenden Würdigung des gesamten Werkes zu ermitteln." - so das BVerfG (Bundesverfassungsgericht).

Das BVerfG (genauer: die 2. Kammer des ersten Senats, der für die Grundrechte zuständig ist, also auch für Art. 5 GG, in dem die Kunstfreiheit geregelt ist) hat das vom Oberlandesgericht München ausgesprochene Verbot der Buchausgabe des Stückes "GERMANIA 3 Gespenster am toten Mann" von Heiner Müller aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen, damit dieses die Sache neu entscheidet.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Buchausgabe des letzten Theaterstückes des 1995 verstorbenen Dramatikers Heiner Müller. In der Szene "Maßnahme 1956" werden Passagen aus den Theaterstücken "Das Leben des Galilei" und "Coriolan" von Bertolt Brecht zitiert. Auf eine Klage der Erben von B. Brecht hatte das OLG 1998 die Verbreitung der Buchausgabe verboten, solange sie diese Passagen enthalte und die Erben nicht die Erlaubnis zur wörtlichen Textwiedergabe erteilt hatten. Das OLG sah die Verwendung der Brecht'schen Passagen nicht als von der Zitierfreiheit gedeckt, die sich aus § 51 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) ergibt (der Text ist unten wiedergegeben).

Das BVerfG meint, daß das OLG Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) grundlegend verkannt hat. Es hätte sich vielmehr bei der Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Urheberrecht mit dem künstlerischen Anliegen Müllers auseinandersetzen müssen. Dies verlangt, die innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden über die bloße Beleg(Zitat-)funktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen.

Aus der Veröffentlichung der Kunst tritt diese ein in den gesellschaftlichen Raum, so daß BVerfG, und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut. Diese gesellschaftliche Einbindung der Kunst ist damit gleichzeitig Wirkungsvoraussetzung für sie und Ursache dafür, daß die Künstler in gewissem Maße Eingriffe in ihre Urheberrechte durch andere Künstler als Teil der sich mit dem Kunstwerk auseinander setzenden Gesellschaft hinzunehmen haben. Dann haben die Verwertungsinteressen hinter den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung (und nur die ist gemeint!) zurückzutreten.

Das gilt jedoch auch nur, so das BVerfG ausdrücklich, wenn eine Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile für den Urheberrechtsinhaber (hier waren es die Erben des B. Brecht) nicht zu befürchten ist.

Die Entscheidung betrifft ein Schriftwerk, ein Theaterstück. Auf Photographien ist sie nur eingeschränkt zu übertragen, weil § 51 UrhG ausdrücklich von selbständigen Sprachwerken und Musikwerken spricht. Allerdings verbleibt noch die Möglichkeit des § 51 Nr. 1, wonach die Übernahme in ein wissenschaftliches Werk für alle urheberrechtlich geschützten Werke möglich ist.

§ 51 UrhG:
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe,
wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang
1. einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem
selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
Der gesamte Wortlaut der Entscheidung kann auf der Homepage des BVerfG http://www.bverfg.de/ abgerufen werden.

Rechtsanwalt Dr. Daniel Kötz
http://www.koetzlaw.de



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Publiziert am 23.01.2001. Verantwortlich für den Inhalt ist allein der Autor. Ein Artikel gibt ausschliesslich die Meinung seines Autors wieder, nicht die der webpool GmbH.

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