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 Rechtliche Urteile


Dr_Daniel_Koetz, , 15.02.2002

Der verhüllte Reichstag - Fotografieren verboten?

Der Bundesgerichtshof zur Frage der Denkmalfotografie

Christo und Jeanne-Claude haben einen Postkartenverlag auf Unterlassung verklagt, der Postkarten vom verhüllten Reichstag verkauft hatte. Der BGH gab dem Künstlerehepaar in letzter Instanz recht.
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Mit Urteil vom 24. Januar 2002 hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zwischen den Künstlern Christo und Jeanne-Claude gegen einen Postkartenverlag entschieden. Es ging um die Frage, ob der Vertrieb von Postkarten, die das Kunstprojekt "Verhüllter Reichstag" zeigten, zulässig
war.

Der Verlag berief sich auf § 59 des Urheberrechtsgesetzes, nach der Fotografien von "Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden" ohne Zustimmung des Urhebers hergestellt und vertrieben werden dürfen. Diese Einschränkung dient dem Interesse der Allgemeinheit, Ansichten von Städten und Gegenden sehen zu können, ohne daß die freie Sicht urheberrechtlich verbaut ist. Der Urheber widmet seine Arbeit also der Allgemeinheit.

Bei dem verhüllten Reichstag ging es um die Frage, ob dieser sich "bleibend" an öffentlichen Straßen und Plätzen befand. Das Merkmal "bleibend" wird immer dann bejaht, wenn sich das Kunstwerk für seine gesamte Lebenszeit an
einem öffentlichen Ort befindet - auch wenn das seiner Natur nach nicht lange dauert, wie etwa bei einer Eisskulptur oder Pflastermalerei. Der Postkartenverlag meinte, das Kunstwerk "Verhüllter Reichstag" bleibe für seine gesamte Lebensdauer an einem öffentlichen Ort. Denn mit dem Abbau der Installation habe das Kunstwerk aufgehört zu existieren.

Das sah der BGH anders. Zeitliche Befristungen, die vom Urheber oder Veranstalter selbst gesetzt werden - wie dies bei Aufbau und Abbau einer Präsentation der Fall ist - sind etwas anderes. Bei dem Kunstprojekt "Verhüllter Reichstag" habe es sich um eine solche zeitlich befristete Präsentation gehandelt. Der beklagte Postkartenverlag könne sich daher nicht auf die sogenannte Panoramafreiheit berufen. Unberührt hiervon bleiben andere vom Gesetz privilegierte Nutzungen. Aufnahmen eines solchen Kunstwerks für private Zwecke sind ohne weiteres zulässig. Auch für die Berichterstattung über Tagesereignisse enthält das Gesetz eine Ausnahme vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers (Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR
102/99)

Dr. Daniel Kötz
http://www.koetzlaw.de



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Publiziert am 15.02.2002. Verantwortlich für den Inhalt ist allein der Autor. Ein Artikel gibt ausschliesslich die Meinung seines Autors wieder, nicht die der webpool GmbH.

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